Zwei sozialistische Frauengenerationen von 1914 bis 1989
Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg und dem zweiten Weltkrieg war Deutschland 40 Jahre lang das Labor für ein in Europa einzigartiges Groß-Experiment: Ein Land in zwei Systeme zu teilen und auch geschlechterpolitisch dezidiert in verschiedene Richtungen zu entwickeln. Wenig bewusst ist, wie viel „gesamtdeutsche“ (Gender-)Geschichte und Erfahrungen sich innerhalb dieser Teilung verbergen, – bei der in der frühen DDR politisch handelnden Generation zurückreichend mindestens bis in die 20er Jahre. Öffentlich wenig bewußt ist auch, welche Rolle gerade in der frühen DDR Frauen als Triebkräfte der Gleichberechtigungsidee spielten, und mit welchen Motiven…
Ausgehend von der eigenen Familiengeschichte, die in ihrer weltanschaulich-politischen Spaltung den deutschen Bürgerkrieg und die Nachkriegs-Teilung spiegelt, knüpfe ich zur Zeit mit Forschungen und Recherchen an die Aufforderung von Virginia Woolf an, Frauen sollten Geschichte „Durch die Mütter zurückdenken”:
Ich folge den Spuren meiner zwei sozialistischen Tanten, – vom Rheinland in die DDR.
“Die rote Käthe” und ihre Kinder:
In weiblicher Linie begründete meine Großtante Katharina Rentmeister aus der eigentlich bürgerlichen, rheinisch-katholischen Familie heraus im ersten Weltkrieg einen “roten” Zweig, und sie nahm alle ihre sechs Kinder mit auf einen verschlungenen, gefährlichen und konfliktreichen Weg, – wobei von den sechs Geschwistern die Widerstandskämpferin, Frauen- und Kulturpolitikerin Maria Rentmeister die ausgeprägtesten historischen Spuren hinterließ.
Katharina Rentmeister, die “rote Käthe”
9.6.1881 Neuwied a.R. – 2.11.1952 Berlin
Käthe R. entwickelte sich gleich zu Beginn des ersten Weltkriegs zur aktiven Kriegsgegnerin und begründete die kommunistische bzw. sozialistische Linie der Rentmeisters. Sie ist die Mutter von Maria Rentmeister, sowie von Franz, Hans, Else, Robert und Willi.
Ab 1929 Mitglied der Kommunistischen Partei. Am 2.11.1934 mit zwei ihrer Söhne (Robert und Franz) verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu Zuchthaus verurteilt. Sie kam bis Kriegsende nicht mehr frei, sondern über die Stationen KZ Moringen und Lichtenburg schließlich 1939 als eine der ersten Häftlinge (Nr.41) in das Frauen-KZ Ravensbrück. Sie blieb dort gefangen bis zum Todesmarsch und der Befreiung 1945.
Käthe Rentmeister und ihre sechs Kinder fanden sich nach Kriegsende und insgesamt 55 Jahren Emigration, Zuchthaus und KZ in der DDR wieder zusammen und wirkten in unterschiedlichen Funktionen am Aufbau des sozialistischen Staatswesens mit.
Weitere Links: siehe unten
27.1.1905 Oberhausen-Sterkrade – 10.5.1996 Berlin.
Frauen- und Kulturpolitikerin.
http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Rentmeister
Link zum Artikel “Rentmeister, Maria” in der biografischen Datenbank der Bundesstiftung Aufarbeitung – beruhend auf der gedruckten Ausgabe im biografischen Nachschlagewerk “Wer war wer in der DDR”, Ch. Links Verlag
Literatur zu Maria Rentmeister: u.a.
Beatrice Vierneisel: „Zum Beispiel Maria R.“ im Aufsatz: „Das Erinnerungsarchiv. Lebenszeugnisse als Quellengruppe im Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED“, in: Martin Sabrow (Hg.): Verwaltete Vergangenheit. Geschichtskultur und Herrschaftslegitimation in der DDR. Leipzig 1997 (Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur im 20. Jahrhundert, Bd. 1)
Perincioli, Cristina; Rentmeister, Cäcilia (Cillie): “Berlin, Women in Two Different Systems”, Berlin (West) 1974. Manuskript für Vortrag und Publikation in USA. Erscheint auszugsweise auf deutsch:
“1974 – Ein Blick über die Mauer. Maria Rentmeister im Gespräch”, in: Perincioli, Cristina: 1968 – Die bessere Hälfte. Aufbruch der Frauen in Berlin 1968-1974. Berlin 2015.
Thema im Forschungsportal: gesis – SOFISwiki
Die Geschichte von Frauen wie Käthe Rentmeister im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Oberhausen ist auch ein Thema der Ausstellung der Geschichtswerkstatt Oberhausen (Marion Leschinsky [jetzt: Timmermanns]) in Kooperation mit dem Verein “frauen helfen frauen e.v.”:
“Veränderung ist Frauensache! Spuren der Frauenbewegung in Oberhausen” (Rheinisches Industriemuseum 2008).
Download der Ausstellungstafeln als PDF