Vom Katholizismus zum Soialismus,
vom Rheinland in die DDR

Maria Rentmeister

maria-rentmeister-1947

27.1.1905 Sterkrade – 10.5.1996 Berlin

1927 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend SAJ
1929-1932 Auswanderung in die USA nach Milwaukee, Wisconsin
1932 Rückkehr nach Deutschland, Eintritt in die KPD, Wahl zur KPD-Stadtverordneten Sterkrade, und in den Rhein. Provinziallandtag
1933-1939 in der Emigration (Saarland, Paris, Schweiz, Niederlande)
1940-1945 in Haft im Zuchthaus Anrath mit Zwangsarbeit in der RHEIKA
1944 Hinrichtung ihres Lebensgefährten Wilhelm Beuttel

1945-1996 in Berlin (Ost).
Dort u.a. ab 1946 Stadtverordnete für Groß-Berlin (bis 1948), Vorsitzende des Zentralen Hauptfrauenausschusses,  Mitgründerin und erste Generalsekretärin des DFD,  von 1949 – 1958 u.a. Hauptabteilungsleiterin im Ministerium für Kultur (Minister Johannes R. Becher) und Aufbau der Kulturellen Auslandsbeziehungen der DDR, insbesondere auch zu westlichen Ländern.  Nach 1960 u.a. Leiterin der IML-Arbeitsgruppe “Geschichte der Frauenbewegung”.

Ihr reichhaltiger Nachlass wird aufbewahrt im Deutschen Rundfunkarchiv DRA (Reden, Interviews), in der DEFA-Stiftung (Wochenschauen “Der Augenzeuge”) und im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde (unter anderem Fotos, Buchbeiträge, Rede- und Vortragsmanuskripte, Notizen, umfangreiche internationale Korrespondenz).

Veröffentlichungen zu Maria Rentmeister: siehe unten.

trennung_verlauf

 

Katharina Rentmeister, die “rote Käthe”

Mutter von Maria Rentmeister
Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus

9.6.1881 Neuwied a.R. – 2.11.1952 Berlin
Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus
In Haft von 1934 – 1945, ab 1939 Häftling Nr. 41 im KZ Ravensbrück

Zahlreiche Dokumente aus ihrer 11jährigen Haftzeit werden im Bayerischen Staatsarchiv München aufbewahrt.

Weitere biografische Angaben sowie Veröffentlichungen zu Käthe Rentmeister: siehe unten.


Käthe und Maria Rentmeister, zwei sozialistische Frauengenerationen 1914 bis 1996:
Vom Rheinland in die DDR, vom Katholizismus zum Sozialismus

Die Geschichte der deutschen Familie Rentmeister, mit der Herausbildung des sozialistisch-kommunistischen Zweigs durch die Gegnerschaft zum ersten Weltkrieg, spiegelt die Konfliktlinien und Spaltungen des 20. Jahrhunderts: Erster Weltkrieg, deutscher Bürgerkrieg, Widerstand gegen den NS, Emigration, Zuchthaus und KZ, zweiter Weltkrieg und Nachkriegs-Teilung.

An ihrem Beispiel läßt sich an die Aufforderung von Virginia Woolf anknüpfen, Frauen sollten Geschichte „Durch die Mütter zurückdenken”. Die Spuren meiner zwei sozialistischen Tanten führen vom Rheinland in die DDR, vom Katholizismus in den Kommunismus.

In weiblicher Linie begründete meine Großtante Katharina Rentmeister aus der eigentlich bürgerlichen, rheinisch-katholischen Familie heraus im ersten Weltkrieg einen “roten” Zweig, und sie nahm alle ihre sechs Kinder mit auf einen verschlungenen, gefährlichen und konfliktreichen Weg, – wobei von den sechs Geschwistern die Widerstandskämpferin, Frauen- und Kulturpolitikerin Maria Rentmeister die nachdrücklichsten historischen Spuren hinterließ.

Ab den 1970er Jahren stand ich – als Westberlinerin – mit ihr im persönlichen und politischen Austausch, zu kulturellen Fragen, aber insbesondere zu Gleichberechtigung, Frauenemanzipation, Frauenbewegungen historisch und aktuell, mit vergleichendem Blick auf die unterschiedichen Entwicklungen in der DDR und der Bundesrepublik und West-Berlin.

trennung_verlauf


Veröffentlichungen zu Maria Rentmeister

http://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Rentmeister

englische Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Maria_Rentmeister

(Auswahl, neueste oben):

Grit Bühler: Eigenmächtig, frauenbewegt, ausgebremst. Der Demokratische Frauenbund Deutschlands und seine Gründerinnen (1945–1949).
Frankfurt am Main/New York (Campus) 2022
(Dissertation, Betreuerinnen: Prof. Dr. Christiane Kuller, Prof. Dr. Cillie Rentmeister)
Link

Grit Bühler: (Die) Mütter der Gleichberechtigung in der DDR. Die frauenbewegte Gründerinnenzeit des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) 1945 – 1949, in: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Deutschland Archiv, 7.11.2023,
Link

Kurzbiografie ebenfalls online bei der bpb (Autorin Bühler):
Aus den Lebensläufen der frühen Akteurinnen im Demokratischen Frauenbund Deutschlands,

Perincioli, Cristina; Rentmeister, Cäcilia (Cillie): 1974 – Across the Berlin Wall. Women in Two Different Systems, Berlin (West) 1974. Manuskript für Vortrag und Publikation in USA.
Auszugsweise auf deutsch im Buchkapitel:  1974 – Ein Blick über die Mauer. Maria Rentmeister im Gespräch, in: Perincioli, Cristina: 1968 – Die bessere Hälfte. Aufbruch der Frauen in Berlin 1968-1974, Berlin (Querverlag) 2015.
Link zum Auszug der Originalversion auf Englisch

Beatrice Vierneisel: „Zum Beispiel Maria R.“ im Aufsatz: „Das Erinnerungsarchiv. Lebenszeugnisse als Quellengruppe im Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED“, in: Martin Sabrow (Hg.): Verwaltete Vergangenheit. Geschichtskultur und Herrschaftslegitimation in der DDR. Leipzig 1997 (Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur im 20. Jahrhundert, Bd. 1)

Artikel “Rentmeister, Maria” in der biografischen Datenbank der “Bundesstiftung Aufarbeitung” – beruhend auf der gedruckten Ausgabe im biografischen Nachschlagewerk “Wer war wer in der DDR”, Ch. Links Verlag.
Link zur Online-Version.

Link zur Nachlassdatenbank des Bundesarchivs.

trennung_verlauf

 

Katharina Rentmeister, die “rote Käthe”
9.6.1881 Neuwied a.R. – 2.11.1952 Berlin

Käthe R. entwickelte sich mit Beginn des ersten Weltkriegs zur aktiven Kriegsgegnerin und begründete die sozialistische, später dann kommunistische Linie der Rentmeisters. Sie ist die Mutter von Maria Rentmeister, sowie von Franz, Hans, Else, Robert und Willi.
Ab 1929 Mitglied der Kommunistischen Partei. Am 2.11.1934 mit zwei ihrer Söhne (Robert und Franz) verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu Zuchthaus verurteilt. Sie kam bis Kriegsende nicht mehr frei, sondern über die Stationen KZ Moringen und Lichtenburg schließlich 1939 als eine der ersten Häftlinge (Nr.41) in das Frauen-KZ Ravensbrück.
(Ihr Sohn Robert Rentmeister war gezwungen – als Häftling des KZ Sachsenhausen – das KZ Ravensbrück mit zu errichten.)

Käthe Rentmeister blieb dort gefangen bis zum Todesmarsch und der Befreiung 1945.

Sie und ihre sechs Kinder fanden sich nach Kriegsende und insgesamt 55 Jahren Emigration, Zuchthaus und KZ in der Berlin wieder zusammen und wirkten in unterschiedlichen Funktionen am Aufbau des sozialistischen Staatswesens mit.

Veröffentlichungen zu Käthe Rentmeister und dem sozialistischen Familienzweig

Barbara Hoynacki: Die “rote Käthe” aus Oberhausen versteckte Erich Honecker, in: WAZ, 10.02.2016
(Dazu s.a. unten, Zitat aus den Erinnerungen von Erich Honecker in der WAZ vom 03.06.1989)

Hans Müller, Dieter Linka (Herausgeber), Friedhelm van den Mond (Vorwort), Annemarie Stern (Bearbeitung): Wir “Hoch- und Landesverräter”. Antifaschistischer Widerstand in Oberhausen, Oberhausen (Asso) 1983.
Kapitel “Widerstand einer Familie. Die Rentmeisters in Oberhausen-Sterkrade”, S.150-157

Michael Zimmermann zusammen mit Joseph C. Rossaint: Widerstand gegen den Nazismus in Oberhausen. Frankfurt am Main (Röderberg) 1983

Die Geschichte von Frauen wie Käthe Rentmeister im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Oberhausen ist auch ein Thema der Ausstellung der Geschichtswerkstatt Oberhausen (Marion Leschinsky verh. Timmermanns) in Kooperation mit dem Verein “frauen helfen frauen e.v.”:
“Veränderung ist Frauensache! Spuren der Frauenbewegung in Oberhausen” (Rheinisches Industriemuseum 2008).
Download der Ausstellungstafeln als PDF

trennung_verlauf

 

Die “rote Burg” und die “schwarze Burg”:
Zwei Häuser spiegeln die politische Spaltung einer Familie

Wegen der politischen Aktivitäten von Käthe und ihren Kindern war ihr Haus in der Friedrichstrasse 1 mit dem charakteristischen Eckturm weithin bekannt – oder verschrieen – als die “Rote Burg”.
Direkt gegenüber, in der Steinbrinkstrasse 188, befand sich das Haus des Vaters von Franz Rentmeister, Johann Bernhard Rentmeister (geb. 1841, ebenfalls Schneidermeister) – genannt auch die “Schwarze Burg”.

Das Haus Friedrichstrasse 1 wurde dem Schneidermeister Franz Rentmeister und seiner Frau Käthe vom Vater geschenkt, es beherbergte auch die Geschäftsräume.
Franz Rentmeister war Maßschneider und Konfektionär, Vorsitzender des Innungsausschusses, Stadtverordneter für die Zentrumspartei und Beigeordneter. Die Geschäfte liefen gut, auch die Hyperinflation 1923 wurde durchgestanden, die Tochter Maria  übernahm die Buchführung.
1927 trennte sich Franz von der Familie und zog aus dem Haus aus.
1936 wurden die Eheleute auf Antrag von Franz geschieden. Im Scheidungsurteil vom 18. Dezember 1936 heißt es:
“Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus Verschulden der Beklagten; zur Begründung hat er vorgetragen, die Beklagte sei wegen Hochverrats zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren verurtelt worden…”

Käthe behielt Haus und Schneiderei nach dem Auszug ihres Mannes und führte das Geschäft mit Hilfe der Söhne zunächst weiter. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 geriet es in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die noch zu der politischen Mißliebigkeit hinzukamen.
1933 wurde Käthe in eine kleine Wohnung in der Hausbergstr. 19 exmittiert.

Diese Wohnung entwickelte sich umgehend zu einem Zentrum des aktiven Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Ab August 1933 verkehrte hier – als Illegaler – auch Erich Honecker
In einem Beitrag für die WAZ im Juni 1989 erinnert er sich:

“In Oberhausen hatte ich seit August 1933 Kontakte zu den Jugendgenossen Willi und Hans, die der bekannten antifaschistischen Familie Rentmeister angehörten. Deren Wohnung in der Hausbergstr. 19 wurde zu einem wichtigen Ausgangspunkt und Zentrum vieler der antifaschistischen Aktivitäten der Jungkommunisten in Oberhausen und Umgebung. Käthe Rentmeister, Franz, Hans und Willi, die Frauen von Hans und Franz, Clara und Grete, halfen uns unermüdlich, Quartiere ausfindig zu machen, konspirative Verbindungen zu knüpfen, antifaschistische Schriften herzustellen und zu verbreiten sowie Material dafür zu beschaffen. Und nicht zuletzt sorgten sie sich, trotz der kärglichen Mittel für die eigene große Familie, um das leibliche Wohl von uns Illegalen…”

(WAZ, 3. Juni 1989, ganzseitiger Beitrag von E. Honecker: “Schreibmaschinen-Klappern war draußen nicht zu hören”.
Anmerkung: Maria Rentmeister befand sich zu der Zeit bereits im Saarland.)

Stolpersteine für die Familienmitglieder Rentmeister vor dem Haus Friedrichstrasse 1

Stolperstein Rentmeister Maria, Käthe, Robert, Willi, Hans u.a.

Stolpersteine für Familienmitglieder Rentmeister. Foto: Cillie Rentmeister

 

[Neufassung des Beitrags “Vom Rheinland in die DDR”. Stand: Januar 2024. Zuletzt hinzugefügt: Erich Honeckers Erinnerungen aus der “WAZ”.
Dies Kapitel ist fortlaufend in Bearbeitung.]
Foto Startseite (Ausschnitt aus dem Foto): SED Veteranen-Veranstaltung im Deutschen Theater Berlin, Mai 1947. Fotograf: Abraham Pisarek. Deutsche Fotothek/Lizenz:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fotothek_df_pk_0000299_046.jpg
]

.